Wenn ich an meine Zeit als Studentin zurückdenke, fällt mir zuerst diese Frage ein. Wie oft ich sie gehört habe? Unzählige Male. Wie oft ich gefragt wurde, ob ich Lehrerin werden will? Noch öfter. Anscheinend können sich Außenstehende nicht vorstellen, dass Germanist*innen „vernünftige“ Jobs außerhalb des schulischen Bereichs haben können. Ich glaube, das liegt an einer bestimmten simplen Sache. Wie du einen kühlen Kopf bewahrst und wie du antworten kannst, wenn du diese Frage zum 100. Mal hörst? Das erzähle ich dir gerne.
Ich komme aus einem familiären Umfeld, in dem es keine Wissenschaftler*innen oder Künstler*innen gibt. Dementsprechend wurde von mir erwartet, dass ich mal einen soliden, normalen Job machen würde. Zum Beispiel in einer Bank. Geht es dir auch so? Dann ist hier der Knackpunkt, warum keine*r in deiner Familie versteht, was Germanistik wirklich ist.
Warum die Germanistik so wenig Anerkennung bekommt
Mir ist es ab und zu passiert, dass ich erklären musste, was Germanistik überhaupt ist. „Ich studiere Deutsch“, sagte ich dann. Darunter können sich die Menschen dann noch weniger vorstellen – „Germanistik“ klingt wenigstens noch etwas besonders und seriös. Aber Deutsch – das kann ja jede*r!
Denken zumindest viele. Was genau wir als Germanist*innen alles lernen, weiß aber kaum jemand, der sich im sprach- und literaturwissenschaftlichen Bereich nicht auskennt. Wusstest du es vor dem Studienbeginn genau? Ich nicht. Ich dachte, ich müsse viel lesen und würde mit etwas Glück was über Journalismus lernen. Also müssen wir hier verständnisvoll sein und erst einmal erklären, was Germanistik alles umfasst.
Ich finde es wichtig, die drei Hauptbereiche in einfacher Sprache zu erklären:
- Mediävistik: Sprachgeschichte vom Mittelalter bis heute (Wie ist die deutsche Sprache entstanden und wie hat sie sich entwickelt?)
- Linguistik: Sprachwissenschaft (Aus welchen Bestandteilen setzt sich unsere Sprache zusammen? Wie benutzen wir unsere Sprache?)
- Literaturwissenschaft: Bücher, Geschichten, das geschriebene Wort im Allgemeinen (Was bedeuten unsere literarischen Werke und wie sind sie aufgebaut? Wie spiegelt ein Werk die jeweilige Epoche wider? Welche Textarten gibt es?)
Außerdem sollten die Menschen, die nichts über Germanistik wissen, erfahren, dass wir nicht nur lesen. Wir analysieren und befassen uns dadurch sowohl mit der Literatur selber als auch mit der Geistesgeschichte der jeweiligen Zeit. Dafür ist viel Allgemeinwissen und Wissensdurst nötig.
Was man „damit“ dann machen kann – dein Antwort-Guide
Im besten Fall hat dein Gegenüber nun etwas Respekt vor deinem Studienfach gewonnen. Aber was man mit Germanistik machen kann – das ist eventuell noch nicht ganz klar geworden. Da hilft nur eins: Wir müssen erklären, welche Skills wir als Germanist*innen erwerben und trainieren!
Da wäre einmal unsere Auffassungs- und Assoziationsgabe. Wenn wir Texte analysieren, müssen wir unser Wissen und unsere Fähigkeiten kombinieren, um die Sinnhaftigkeit in ihnen zu finden. Dadurch trainieren wir, unsere Gedanken zu ordnen und Verbindungen herzustellen. Diese Fähigkeit ist in vielen Jobs gefragt, zum Beispiel in datenverarbeitenden, recherchenbasierten und strategisch orientierten Jobs sowie im administrativen Bereich. Ich kenne beispielsweise eine Germanistin, die im Personalbereich arbeitet.
Gleichzeitig können künstlerisch geneigte Menschen diesen Still nutzen, um intuitiv und assoziativ zu schreiben. Das klappt sowohl beim kreativen Schreiben als auch beim journalistischen Texten. Somit stehen Germanist*innen im Medienbereich und Kreativbereich viele Möglichkeiten offen. Sie können aber auch Bücher schreiben oder anderweitig Texte erstellen – zum Beispiel als freie Redakteur*innen oder Storyteller*innen (wie ich 😊).
Durch unser (geistes-)geschichtliches Wissen kommen außerdem Jobs im kulturellen Bereich infrage, zum Beispiel in Museen, Stiftungen oder Ausstellungen. Und wenn du willst, kannst du natürlich ganz klassisch Lehrer*in werden oder in die Wissenschaft gehen!
Das ist alles andere als limitierend, oder? Und stehen als Germanist*innen noch zahlreiche andere Branchen offen. Wichtig ist, dass du weißt, was dir am besten liegt und was du am liebsten jeden Tag deines Lebens machen würdest! ✨
Probier dich aus und höre nicht auf die Zweifler*innen!
Am besten kannst du dich an das herantasten, was du wirklich machen möchtest, wenn du Praktika absolvierst oder dir eine Selbstständigkeit oder ein kreatives Outlet neben dem Studium aufbaust. Was fällt dir leicht und worauf hast du Lust? Was passt gerade in dein Leben? 💙
Das kann auch erst einmal „nur“ ein Blog sein, in dem du deine Schreibkunst übst. Oder ein Buch, das du schreibst und als Selfpublisher oder auf einer Schreibplattform veröffentlichst (ooooder nur für dich schreibst!). Es gibt viele Möglichkeiten – und wenn du was machst, kannst du selbstbewusst auf die Frage „Was willst du damit mal machen?“ antworten. Denn du nutzt deine Fähigkeiten jetzt schon und baust sie weiter aus!
Mir war beispielsweise immer klar, dass ich schreiben wollte. Und das Schreiben war schon immer eine meiner liebsten Tätigkeiten gewesen. Zuerst hatte ich vor, Journalistin zu werden; danach hatte ich einen Job in der Öffentlichkeitsarbeit im Auge (was sich dann nach meinem Studium so erfüllte). Das habe ich auch immer so kommuniziert. Mir konnte trotzdem kaum jemand glauben, dass man mit Schreiben Geld verdienen kann. Tja, heute bin ich der lebende Beweis dafür! 😛 Und du kannst der lebende Beweis für deinen Traumjob sein, den du dir mit einem Germanistik-Studium sichern kannst.
Nervt dich diese Frage auch so? Was hast du nach dem Studium vor?
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