Erinnerst du dich noch an die Einheit in der Schule, in der du Protokolle schreiben musstest? Ich denke mit wenig Begeisterung an die Texte zurück, die dabei entstanden sind. Langweiliger ging es kaum … 😅 Leider verfallen viele, vor allem neue, Autor*innen der Protokoll-Falle: Sie erzählen ganz genau, was passiert – ohne jegliche Emotion oder Möglichkeit für die Leser*innen, sich in den Moment und die Charaktere einfühlen zu können. 😕 Wie du diesen Fauxpas in deinem Buch vermeidest, liest du hier – mit Tipps und Beispielen!
Möchtest du, dass deine Leser*innen Nähe zu deinen Protagonist*innen aufbauen und unbedingt erfahren wollen, wie es ihnen ergeht? Ich wette, ja – oder? Wie du das schaffst, verrate ich dir gerne: 💙 mit dem Prinzip „show, don’t tell“! 💙
In vielen Rezensionen lese ich, dass Menschen „die Charaktere blieben farblos“ oder „ich konnte zu den Charakteren keine Beziehung aufbauen“ schreiben. Das kann daran liegen, dass die Autor*innen Beweggründe, Empfindungen oder das Innenleben ihrer Protagonist*innen fast oder ganz außen vor gelassen haben. Sie haben zu viel erzählt (nüchtern wie in einem Protokoll), anstatt zu zeigen, was eigentlich los war … So sind die Charaktere nur entfernte Bekannte geblieben, für deren Schicksal die Leser*innen sich kaum interessieren. Vielleicht haben sie die Lektüre sogar abgebrochen.
Ein Beispiel: Was bedeutet „show, don’t tell“?
Jetzt fragst du dich vielleicht: „Was meint sie mit ‚show, don’t tell‘ genau?“ Das zeige ich dir am besten an einem exemplarischen (von mir frei erfundenen) Text und danach in einzelnen tiefergehenden Punkten!
TELL – erzählen:
Sie schlug die Hände vors Gesicht und keuchte. Sie bekam kein Wort heraus. Es war eine vollkommen schreckliche Situation.
Merkst du hier, dass sich das Ganze liest wie ein Protokoll mit dem folgenden Ablauf?
- Sie schlug die Hände vors Gesicht.
- Sie keuchte.
- Sie bekam kein Wort heraus.
- Und zum Abschluss kommt noch eine nüchterne Bewertung: Es war eine vollkommen schreckliche Situation.
Emotional berührt bin ich von solchen Texten nicht – du? 🧐Außerdem wird noch gesagt, wie die Situation einzuschätzen ist. Das hat ein guter Text gar nicht nötig, denn die Leser*innen sind automatisch emotional eingebunden und fühlen mit.
SHOW – zeigen:
Sie fühlte sich, als würde sie in Schwärze versinken. Anstatt einer Antwort kam nur ein angestrengtes Keuchen aus ihrer Kehle. Der Schmerz stach sie wie tausend kleine Nadeln. Sie konnte keinen klaren Gedanken fassen. Passierte das gerade wirklich?
Gefällt dir dieser Auszug besser? Das liegt daran, dass ich hier mit Worten Bilder gemalt habe. Außerdem habe ich es dir ermöglicht, deine eigene Lebenserfahrung zu nutzen – durch Gedanken, die du bestimmt kennst. 😌 Obwohl ich nicht beschrieben habe, was sie genau macht und wie die Situation zu interpretieren ist, kannst du dir ziemlich gut vorstellen, wie es der Protagonistin geht und wie ihre Körperhaltung aussieht, oder?
Das habe ich geschafft durch
- bildliche Darstellung von Gefühlen („in Schwärze versinken“, „Schmerz stach sie wie tausend kleine Nadeln“),
- Gegenüberstellung von Intention und Realität (sie wollte antworten, aber es kam nur ein Keuchen) und
- indem ich das emotionale Innenleben gezeigt habe („konnte keinen klaren Gedanken fassen“, „Passierte das gerade wirklich?“).
Als Faustregel kannst du dir „show, don’t tell“ so merken:
❌ TELL: Alles ist so beschrieben wie in einem Protokoll. Ein Mensch mit einem Fernglas hätte die Situation genauso wiedergegeben. Die Charaktere bleiben blass. Sie wirken unnahbar, wie Fremde, und wenig menschlich beziehungsweise „unecht“.
✅ SHOW: Die Leser*innen können Empathie empfinden. Sie wissen, was der Charakter fühlt und sinnlich empfindet, und können dasselbe fühlen oder empfinden – durch bildliche Worte oder Assoziationen mit Gefühlen und Situationen, die sie aus ihrem eigenen Leben kennen. Es entsteht eine Nähe zu den Charakteren, sie wirken menschlich und fast wie gute Freund*innen.
Im Folgenden gehe ich auf diese einzelnen Punkte genauer ein!
Tipp 1: Stelle Gefühle bildlich dar und erwecke so Empathie
Warum sollten wir als Autor*innen Gefühle erwecken und nicht direkt von ihnen schreiben? Ganz einfach aus diesem Grund: Wie gut klappt das, wenn dir ein Mensch „sei fröhlich!“ oder „sei traurig!“ sagt? Lass mich raten – eher schlecht. 😛 Genauso ist es in einem Buch. Wenn du schreibst „Britta war traurig.“ oder „Brittas Augen füllten sich mit Tränen.“, dann wissen wir: „Aha, Britta ist traurig.“ Aber wir fühlen es weniger, als wir könnten.
Empathie mit Britta empfinden wir, wenn wir wissen, wie es ihr wirklich geht! „Traurig“ hat viele Ausprägungen. Wie ist das bei Britta? Fühlt sie sich wie im Nebel, sind ihre Gliedmaßen bleischwer, sitzt ein Geist aus der Vergangenheit auf ihrer Schulter? Als Leser*innen wollen wir ein Ticket fürs Kopfkino von dir bekommen!
Was dir in dem Moment helfen kann, ist die Frage: Wie würde diese Szene in einem Film aussehen und welche Musik würden wir hören? 🤔 Musik wird in Filmen gerne genutzt, um gezielt Emotionen zu erwecken oder diese zu unterstreichen. Beim Schreiben kannst du keine Musik nutzen – aber du kannst Emotionen durch bildliche Darstellungen auslösen! Höre dir passende Musik an und überlege dir, wie du sie ihren Effekt auf dich in Worte fassen kannst.
Zusatztipp: Übertriebene bildliche Darstellung von Emotionen vermeiden
Extrem wichtig ist es, dass du abwechslungsreiche Bilder verwendest. Wiederholungen wirken so, als hättest du eine Formulierung kopiert und mit Copy & Paste überall eingefügt, wo es passt. Auch zu übertriebene Bilder solltest du vermeiden, da sie vom Wesentlichen ablenken zu in vielen Stilen zu schwülstig wirken. Gehe in dich: Erinnere dich an deine eigenen Emotionen in ähnlichen Situationen und male sie mit Worten roh und ehrlich aufs Papier! ✨
Tipp 2: Zeige die Intention deiner Protagonist*innen
Mir fällt in Büchern hin und wieder auf, dass Charaktere etwas tun – ohne, dass die Leser*innen erfahren, warum sie es machen. Dieses Manko unterbricht den Lesefluss, weil wir dann denken: Warum geht sie jetzt aus dem Zimmer? Warum guckt er so? Warum sagt sie jetzt nichts? 🤔 Eventuell blättern wir dann zurück und schauen, ob wir was überlesen haben. Oder wir fühlen schlicht und ergreifend einen Bruch im Text. Jedenfalls werden die Leser*innen aus dem Text gerissen und der Lesespaß ist erst mal hinüber.
Die Intention hinter Aktionen zu zeigen, ist besonders aus einem Grund total wichtig: Dadurch verstehen deine Leser*innen, wie deine Protagonist*innen ticken! So können sie eine Beziehung zu ihnen aufbauen oder sich sogar mit ihnen identifizieren. 💙 Es entsteht eine angenehme Nähe. Damit meine ich natürlich keine Intentionen, die storymäßig noch im Verborgenen bleiben müssen. Vielmehr meine ich Alltagssituationen oder normale Aktionen.
Wenn dein Charakter ziellos durch die Straßen irrt, macht er es nicht, um nie an einem Ziel anzukommen, oder? Er will vielleicht etwas verdrängen oder die Zeit totschlagen. Irgendeine Intention gibt es immer! Lass sie deine Leser*innen wissen und mach deine Protagonist*innen nahbar.
Tipp 3: Zeige das emotionale Innenleben deiner Charaktere
Wie sieht es in deinen Charakteren aus? Je nach Erzählperspektive können wir das von einer Person oder sogar mehreren Personen erfahren. Und das sollten wir auch (es sei denn, es ist wichtig für den Plot, dass wir es nicht wissen oder stilistisch für deinen Roman angemessen).
„Er knirschte mit den Zähnen“ und „sie schaute ihn böse an“ sind dabei eine suboptimale Wahl, weil diese Formulierungen zur Kategorie „TELL“ gehören. Spannender für die Leser*innen ist es, zu erfahren, was deine Protagonist*innen sich gerade fragen, was sie denken und wozu sie gerade (nicht) in der Lage sind. Das musst du ihnen zeigen – ein Fall für „SHOW“! 🙌
Beispiel:
Statt „Er knirschte mit den Zähnen“ könntest du etwas schreiben wie „Die Anspannung war für ihn kaum zu ertragen. Warum machte ihn der Kerl nur so wütend? Er befürchtete, sein Kiefer würde seine Zähne zerbrechen, wenn er seine Emotionen nicht gleich in den Griff bekommen würde.“
Statt „Sie schaute ihn böse an“ bietet sich etwas an wie „Sie fixierte ihn wie eine Katze ihre Beute. Was wollte er eigentlich von ihr? Ihr Unterleib fühlte sich an, als sei eine Ameisenarmee eingezogen. So wütend war sie lange nicht mehr gewesen.“
Auch bei „show, don’t tell“ gilt: Üben, üben, üben
Beim Schreiben ist es wie bei allen anderen Fähigkeiten auch – wer konstant weitermacht, wird immer besser! 🙌💙 Wichtig ist es, dass du weißt, was einen emotional ansprechenden Text ausmacht. Setz dich bitte nicht unter Druck, in jedem Satz ein megatolles Bild einbauen oder die Intention deiner Charaktere 1.000-mal pro Kapitel betonen zu müssen!
Schreib einfach deine Geschichte und schau danach, an welchen Stellen du deine Leser*innen noch besser abholen könntest. Testleser*innen können dir dabei helfen, diese Stellen zu identifizieren. 😊 Viel Spaß bei „SHOW“ statt „TELL“!
Du möchtest, dass ich deinen Roman im Lektorat auf „show, don’t tell“ prüfe – und dein Buch selbstbewusst veröffentlichen? Buche gerne ein Erstgespräch – dabei klären wir alles, was dir auf der Seele brennt! ✨
Foto: Luriko Yamaguchi von Pexels